Ein Stadionbesuch beim Abschiedsspiel von Michael Ballack
»FC Karl-Marx-Stadt-Zone« verkündet ein Aufkleber an der Laterne am Waldplatz. Und so sieht die Zone dann aus: Knapp 45.000 Menschen strömen gen Stadion, nicht wenige tragen weiße Deutschlandtrikots mit der Nummer 13 und dem Namen Ballack. Denn der Micha gibt sein Abschiedsspiel und alle sind sie da: Der Chemnitzer FC mit Vereinsbus, Weltsportler wie Boris Becker auf der Tribüne und Michael Schuhmacher aufm Platz.

Ciao Capitano!
Es ist ein großes Auf- und Einmarschieren. Jeder Weltstar und auch jeder Kumpel von Ballack kriegt seinen eigenen Applaus, manche haben sogar gleich zwei Einlaufkinder an ihrer Seite. Bei Lothar Matthäus mischt sich auch ein bisschen Gelächter darunter, bei Lahm ein paar Pfiffe und Ulf Kirsten hat hier eindeutig ein Heimspiel. Der Name »Uuuuulf« wird zu Beginn des Spiels wohl öfter gebrüllt als »Mich-Aaa-Eeel-Ball-Lack«.
Ach ja, das Spiel. Es ist, wie zu erwarten, kaum der Rede wert. Michael Ballack darf die Tore schießen, mal für die eine Mannschaft (seine Kumpels), mal für die andere (die Weltauswahl). Gerannt wird nicht viel, gezaubert leider auch nicht, irgendwann beginnen die Fans, wahrscheinlich gelangweilt von ihren eigenen La Olas, die hier im 3-Minuten-Takt gestartet werden, Papierflieger zu basteln und einfach diese zu bejubeln, wenn sie es aufs Spielfeld schaffen. Rudi Völler wird mitten im Spiel interviewt und erzählt etwas undeutlich, warum er den Ballack so toll findet. Stadionsprecher Tim Thoelke (man kennt ihn auch von der Quizshow Riskier dein Bier) sagt an, wenn ein Tor gefallen ist, damit noch mal jeder »Ballack« brüllen kann, die Spielminute wisse er jetzt aber auch nicht so genau. Ist auch egal. Vor allem dem Schiri, der einfach früher abpfeifft, damit Ballack endlich seine Ehrenrunde laufen kann.
Standing Ovations für den Sachsen, der sich für uns geopfert hat, damals als er die zweite Gelbe Karte hinnahm, nur um uns vor einem Gegentor zu retten. Wisst ihr noch? Wissen wir noch. Ein Mann wie aus einem Sommermärchen.
»My Way« hat er ausgewählt als Soundtrack (wo ist eigentlich Gerhard Schröder?). Blöd nur, dass der Song schneller vorbei ist als die Ehrenrunde, die die drei Ballack-Söhne mitlaufen dürfen, und Johannes B. Kerner schon wieder dran ist, um den Herrn Gastgeber zurück zum Mittelpunkt zu zitieren. Tränen der Rührung hat der Ex-Fußballnationalspieler in den Augen, und es ist tatsächlich bewegend: der Applaus eines ausverkauften Stadions für einen, der immer alles nur fast gewonnen hat. Vorher hatte er den Flutopfern noch Hilfe zugesagt, sich bei allen Anwesenden bedankt, die tatsächlich innerhalb eines Tages das Ding hier ausverkauft haben.
Und dann hat JBK noch eine Überraschung – die erste vor dem Spiel, bei der alle Pappposter hochhalten sollten, was dann »Danke Micha« ergeben sollte, war allein daran gescheitert, dass jeder ein weißes Schild hochhielt und nichts zu erkennen war. Auf der Videoleinwand erscheinen die beiden Omas vom Micha und plaudern ein bisschen. »Wir hoffen, der Junge kommt jetzt langsam mal zur Ruhe – und wir auch«.
Erschien auch auf http://kreuzer-leipzig.de/2013/06/06/komm-mal-zur-ruhe-micha/